Seit Beginn des 20sten Jahrhunderts werden in der Wissenschaft die Rahmenbedingungen und bestimmenden Größen des Wiederkaufverhaltens von Kunden untersucht. Copeland untersuchte dazu erstmalig Anfang der 20er Jahre den Bereich des Wiederkaufs von Marken, wobei er den Begriff des „brand insistence“ (später brand loyalty) oder Churn Managements verwendete.
Der Schwerpunkt der Analyse hat sich jedoch mit der Zeit verschoben. Standen Mitte der 50er Jahre die behavioristischen Ansätze, die das Wiederkaufverhalten untersuchten, im Zentrum der Forschung, so wechselte ab Mitte der 70er Jahre die Zielrichtung hin zu verhaltenswissenschaftlichen Modellen. Das Churn Management spielte zur damaligen Zeit noch kaum eine Rolle. Als Vorreiter auf dem Gebiet der empirisch belegten Kundenloyalität gelten Kyner und Jacoby. Die von ihnen aufgeworfenen Fragen zur Kundenloyalität wurden zu kontrovers diskutierten Teilbereichen der Wirtschaftswissenschaften. Diese Arbeiten berücksichtigen vor allem die Analyse der Kundennachfrage-Sicht.
Churn Management und Kundenloyalität:
Das Konzept der Kundenloyalität wurde als verhaltenswissenschaftliches Modell weiter vertieft und verfeinert. Mitte des Jahrhunderts fand eine ausgeprägte wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Feld der Zufriedenheitsforschung statt. Diese intensive Beschäftigung hat dazu beigetragen, dass das Thema der Bindung von Kunden an Einfluss gewann. Die Grundthese der Forschung über die Zufriedenheit der Kunden lautete, dass Kunden als zufrieden bezeichnet werden können, wenn ein Produkt beziehungsweise eine Dienstleistung die Erwartungen des Kunden erfüllt.[2] Wie sich dabei herausstellte, wird das Verhalten der Kunden nicht nur durch die reine Zufriedenheit bestimmt. Es ist deshalb notwendig, eine stabile Kundenbindung zu generieren. Sollte diese Kundenbindung nicht erreicht werden hätte auch schon zur damaligen Zeit über ein nachgelagertes Churn Managment nachgedacht werden sollen. Diese integration des Churn Managements wurde aber erst langsam in den 90er Jahren umgestzt.
Churn Management, Kundenbindung und Kundenzufriedenheit
Anfang der 90er Jahre wurden deshalb erstmalig empirische Untersuchungen zum genauen Zusammenhang zwischen Kundenbindung und Kundenzufriedenheit als große Einflussfaktoren des Churn Managements erstellt.[3] Es wurde das erste Mal aufgezeigt, dass Kundenzufriedenheit zwar positiv für ein Unternehmen ist, letztlich jedoch die Kundenbindung einen deutlich größeren ökonomischen Effekt bestimmt. Eine hohe Kundenbindung, die insbesondere durch eine geringe Abwanderungsquote bestimmt werden kann, wurde so zu einer strategisch wichtigen Aufgabe für Unternehmen in wettbewerbsintensiven Branchen.
Zero Defections von Reichheld und Sasser
Große Beachtung fand der Beitrag „Zero Defections“, der den Zusammenhang zwischen Churn Rate und Unternehmenserfolg erstmalig aufgezeigte.[4] Reichheld und Sasser (1990) wiesen auf die Handlungsnotwendigkeit d.h. des Churn Managements der Unternehmen hin und haben somit auch den Begriff des Kundenbindungsmanagements, des Kundenbeziehungsmanagements und des Churn Management als Aktivität eines Unternehmens geprägt.
Churn Management und Kundenwert
Als zentrales Ergebnis wurde festgestellt, dass eine Reduktion der Abwanderungsrate zu einer extremen Steigerung des Kundenwertes führt. In der damaligen Phase des Verstehens von dem Zusammenspiel zwischen Abwanderungsrate und ökonomischen Größen erfolgte eine Fokussierung auf globale Kundenbindungskonzepte. Eine Ausrichtung auf die Verhinderung von Abwanderung also ein professionelles Churn Management fand noch nicht statt. Die Kundenbindungsprogramme, welche in den 90er Jahren eingeführt wurden, brachten jedoch oftmals nicht die gewünschten Erfolge. Die Abwanderungsquote entwickelte sich weiterhin negativ und führte in Zusammenhang mit einer generell niedrigeren Kundenloyalität zu einer Verschärfung der Abwanderungsproblematik.[5] Um das Jahr 2000 wurde diese Entwicklung von der Wissenschaft zum Anlass genommen, sich intensiver mit den Fragen der Kundenrückgewinnung und Kundenabwanderung im Rahmen des Churn Management zu beschäftigen.[6]
Das Kundenbeziehungsmanagement (CRM) hat sich nach dem Jahr 2000, angeregt durch die Forschung, kontinuierlich in die Bereiche Neukundenakquisitions-, Kundenbindungs- sowie Kundenrückgewinnungsstrategie oder auch Churn Management weiterentwickelt. In zahlreichen Unternehmen wurde dank seiner großen ökonomischen Auswirkungen ein besonderes Augenmerk auf die Kundenbindung und insbesondere das Kundenrückgewinnungsmanagement (Churn Management) gelegt. Auch zukünftig wird es von zunehmender Bedeutung sein, die zurzeit teilweise isoliert eingesetzten Instrumente des Kundenrückgewinnungsmanagements / Churn Management in ein Gesamtkonzept zu integrieren.
Churn Management als Bestandteil des CRM
Das Denken in Kundenbeziehungen steht in den letzten Jahren im Mittelpunkt des Kundenmanagements. Ein fachgerechtes Kundenmanagement umfasst die CRM-Aktivitäten der Neukundenakquisition, Kundenbindung und Churn Management. Die Unternehmen bedienen sich somit des Werkzeugs Kundenmanagement, um die Bedürfnisse der Kunden optimal zu befriedigen.
Im modernen Verständnis werden alle CRM-Aktivitäten zur Initiierung, Gestaltung und Erhaltung von Geschäftsbeziehungen zu Kunden abgedeckt.[8] Es wird also der Grundgedanke des Beziehungslebenszykluskonzeptes aufgegriffen, wobei man sich jedoch auf die Entwicklungsphasen von Kundenbeziehungen konzentriert.
Churn Management und Neukundengewinnung
Klassischerweise konzentriert sich das Marketing im Allgemeinen auf die Gewinnung neuer Kunden. Das Churn Management wird erst später in den Unternehmensprozess integriert. Bei der Neukundengewinnung wird darauf abgezielt, Interesse und Aufmerksamkeit bei möglichen Kunden zu wecken und diese zu einem Erstkauf zu animieren.[10] Dies ist normalerweise extrem aufwendig und sehr teuer. Die Bindung eines bestehenden Kunden ist dabei bis zu 600% profitabler als die Akquisition eines neuen Kunden.[11]
Ungeachtet der augenscheinlichen wirtschaftlichen Relevanz nimmt speziell die Bindung bestehender Kunden einen wichtigen Platz bei der Erforschung des Kundenmanagements ein. Die Vielzahl der wissenschaftlichen Beiträge zur Kundenbindung und Loyalität zeigen diesen Trend auf.[12] Ein Forschungsfokus auf die Kundenrückgewinnung / Churn Management speziell in der konzeptionellen und empirischen Forschung kann seit 1999 beobachtet werden.[13]
Empirische Forschung im Churn Management
Die Kundenrückgewinnung / Churn Management ist deshalb erst in der jüngeren Vergangenheit in den Fokus konzeptioneller und empirischer Forschung gerückt. Ausgangpunkt dieser Forschung ist die Konzeption des dreistufigen Kundenrückgewinnungsmanagements, das auf dem Modell des Kundenbeziehungslebenszyklus beruht.
Um die Interaktion und die entsprechenden Phasen zwischen Unternehmen und Kunden abgrenzen zu können, wird typischerweise das Modell des Kundenlebenszyklus eingesetzt. Es dient der Definition von Maßnahmen und Strategien zur Betreuung von abgewanderten, gefährdeten, aktuellen und potenziellen Kunden.[14] In der folgenden Abbildung wird die Einordnung der Kundenrückgewinnung / Churn Management in den Kundenbeziehungslebenszyklus dargestellt.
Anhand des Kundenbeziehungslebenszyklus kann man sehr schön erkennen, dass Kunden in einer Beziehung zu einem Unternehmen verschiedene Prozesse hinsichtlich ihres Wertes wie die Wachstumsphase oder die Degenerationsphase durchlaufen.[16]
Beginnend mit der Phase der Neukundenakquisition wird Kontakt zu potenziellen Kunden aufgenommen. Sollte die Akquisition von Neukunden gelingen, dann werden diese mit dem Ziel einer langfristigen, profitablen Geschäftsbeziehung als Bestandskunden betreut. Geschäftsbeziehungen können mit der Zeit an Intensität hinsichtlich des Kundenwertes abnehmen und entsprechend des Kundenbeziehungslebenszyklus-Verlaufes in der Folge aufgelöst werden.
Das Churn Management befasst sich mit der Reaktivierung von Kunden, die bei einem Unternehmen entweder einen Vertrag gekündigt haben oder aufgrund ihres Kauf- bzw. Nutzungsverhaltens als abgewandert klassifiziert werden können. Dabei ergeben sich zwei Ansatzpunkte:
das Churn Management mit dem Ziel des Abwehrens beziehungsweise der Rücknahme von Kündigungen
das Revitalisierungsmanagement mit dem Ziel der Wiederaufnahme der abgebrochenen bzw. eingeschlafenen Geschäftsbeziehung.
Das Churn Management wird nach Stauss/Friege (1999) in drei Stufen unterteilt:
1) Rückgewinnungs- und Abwanderungsanalyse (Bestimmung der abgewanderten Kunden, Identifikation des Kundenwertes, u. a.)
2) Ableitung von Maßnahmen zur Rückgewinnung (Festlegung der Rückgewinnungskanäle und Rückgewinnungsangebote, z. B. Discounts bei Abonnements von Zeitschriften)
3) Controlling der Rückgewinnung (Identifikation der Rückgewinnungsquote und Effizienz der Maßnahmen).
Nach Anne M. Schüller (2007) wird der Prozess des Churn Managements in fünf Schritten darstellt:
1. Identifizierung der verlorenen beziehungsweise 'schlafenden' Kunden
2. Analyse der Verlustursachen
3. Planung und Umsetzung von Rückgewinnungsmaßnahmen
4. Erfolgskontrolle und Optimierung
5. Prävention beziehungsweise Aufbau einer ‚zweiten Loyalität’.